Übersicht über den Archipel
Die Rudolf Insel (ursprünglich: Kronprinz Rudolf Land) ist die nördlichste Landmasse nicht nur von Franz-Josef-Land, sondern damit auch von Europa und dem ganzen Eurasiatischen Kontinent. Ihr nördlichster Punkt liegt in der Nähe von Kap Fligely auf 81° 51´ nördlicher Breite, wobei der nördlichste Vorsprung die dortige Gletscherabbruchkante ist und sich folglich durch Kalbungen und Abtauen ständig leicht verschiebt. Damit ragt Franz-Joseph-Land ziemlich genau einen Breitengrad (= 111 km) weiter nach Norden, als der nördlichste Punkt des westlich gelegenen Spitzbergen Archipels (Ross Insel, 80° 50´N). Der maximale Durchmesser der Rudolf Insel erreicht ca. 27 km.
Die Rudolf Insel ist nahezu komplett von einer Eiskappe bedeckt, die fast überall an den Rändern ins Meer abbricht und in ihrer Mitte bis 460 m Höhe über dem Meer erreicht - mit leichtem Zuwachs in den letzten Jahrzehnten im Nordosten, ansonsten leichtem Rückgang.
Unter dem Eis ragen nur an wenigen Stellen einzelne Kaps und Felskanten an der Küste heraus: Kap Fligely im Nordosten und an der Westküste von Süden nach Norden: Kap Brorak, Kap Auk (Alkenkap), Kap Säulen und Kap Germania. Selbst die längste eisfreie Küstenzone von der Teplitzbucht über Kap Säulen bis Kap Germania ist nur wenige Kilometer lang und nur maximal ca. 1,5 km breit. in dieser Zone liegt auch die ehemalige Wetter- und Funkstation auf einem Plateau über der Nordseite der Teplitzbucht.
Die wenigen eisfreien Zonen weisen nur eine sehr spärliche Vegetation auf, mit Oberflächen aus Fels, Frostschutt oder auch morastigen Rohböden. Temperaturen über Null Grad C gibt es nur wenige Wochen im Jahr.
Tierwelt: Die Tierwelt auf der Rudolfinsel ist sehr begrenzt. Eisbären tauchen hier häufiger auf (und können damit aus Sicherheitserwägungen auch Landungen verhindern), Walrosse sind mangels geeigneter flacher und sandiger Strände selten. Auch Brutvögel gibt es nur wenige, etwa die kleineren Kolonien vor allem von Dreizehenmöwen südöstlich von Kap Fligely. Halbwegs gute Chancen auf Beobachtung von Elfenbeinmöwen, auf der spärlichen Tundra um die ehemalige Station manchmal einzelne Schneeammern.
Die beiden größten weitgehend eisfreien Bereiche der Rudolf Insel liegen im Norden - zum einen die Nordwestecke von der Teplitzbucht bis Kap Germania, und zum anderen der Bereich von Kap Fligely im Nordosten der Insel. Diese beiden Gebiete werden nachfolgend ausführlicher unter Geschichte und Tourismus behandelt, dort auch mit Bildern.
Meer: Selbst im Sommer ist das Meer um die Rudolfinsel nur selten frei von dichterem Treibeis und in etlichen Sommern bleibt sogar eine geschlossene Eisdecke im Bereich der Rudolfinsel und ihrer geringfügig südlicheren Nachbarinseln Eva-Liv, Hohenlohe und Karl Alexander erhalten.
Zusammenfassung Geschichte der Inseln
Jahr für Jahr Chronik Franz-Josef-Land
Die Rudolf Insel wurde im Frühjahr 1874 unter Leitung Payers auf der Erkundungstour der TEGETTHOFF Expedition entdeckt, benannt, durchquert und teilweise kartiert. Dabei wurde auch Kap Fligely erreicht - ohne zu ahnen, daß sie damit den nördlichsten Landpunkt Eurasiens gefunden hatte, denn sie glaubten, nach Norden hin beträchtliche weitere Landmassen ("Petermann Land") ausmachen zu können, die sich durch spätere Expeditionen als Illusion herausstellten.
Der nächste flüchtige Besuch erfolgte im Frühjahr 1899 durch die Schlittengruppe Wellmans, die eigentlich den Nordpol als Ziel hatte, aber schon auf der Ostseite der Rudolf Insel umdrehen mußte, da Wellman sich ein Bein gebrochen hatte. Immerhin taufte er dort noch ein Kap auf seinen Namen: Kap Wellman.
Aufgrund ihrer extrem nördlichen Lage hatte die Insel in der Folge eine gewisse Popularität als Basis für Vorstöße und sonstige Interessen in Richtung Norden. Die Teplitzbucht als einziger Platz der Insel, wo Landungen an einem einigermaßen landeisfreien Ufer möglich waren, diente 1899/1900 der STELLA POLARE Nordpolexpedition unter Leitung von Ludwig Amadeus von Savoyen als Überwinterungsbasis, die von hier aus einen Nordpolvorstoß bis immerhin 86°34´N unter Leitung von Cagni unternahm, näher an den Pol als 5 Jahre zuvor Nansen. Auf der Anfahrt 1899 profitierte die STELLA POLARE von extrem günstigen Eisverhältnissen im Juli und August: erst nördlich der Rudolf Insel, jenseits von 82° N, stieß sie auf dichteres Eis. Da die italienische Station weitgehend auf dem damaligen breiten ganzjährigen Landeisstreifen vor dem eigentlichen Strandwall der Teplitzbucht errichtet wurde, der mittlerweile weggetaut ist, dürfte das Meiste ihrer Überreste im Flachwasser gelandet und vom Eis zermalmt worden sein.
Im Frühjahr 1902 erreichte die Baldwin-Ziegler Expedition auf ihren Vorbereitungsfahrten für den geplanten Vorstoß zum Nordpol das Alkenkap (Cape Auk) auf der Westseite der Rudolfinsel als nördlichsten während dieser Expedition erreichten Punkt. Ursprünglich wollte Baldwin seine Überwinterungsbasis ebenfalls in der Teplitzbucht aufschlagen - wegen der schwierigen Eisverhältnisse des Sommers 1901 mußte er diese jedoch deutlich weiter südlich auf der Alger Insel einrichten.
Als nächstes nutzte die Fiala-Ziegler Expedition (1903-05) die Teplitzbucht als Überwinterungsbasis, erneut mit Nordpolambitionen, die allerdings nach Verlust des Expeditionsschiffs AMERICA durch Eispressungen in der Teplitzbucht sowohl durch Materialprobleme als auch Zeitmangel aufgegeben werden mußten. Das Grab des während der Expedition hier verstorbenen Sigurd Myhre befindet sich am nahen Kap Säulen. Während einer Landung mit der AKADEMIK SHOKALSKIY im August 2011 gelang es Expeditionsleiter Andreas Umbreit, zwischen den zahlreichen sowjetischen Hinterlassenschaften auf dem Strandwall der Teplitzbucht auch die Reste des Hauptgebäudes der Fiala-Ziegler Expedition zu identifizieren, sowie 2012 weitere Hinterlassenschaften dieser Expedition und vermutlich auch der vorhergehenden STELLA POLARE Überwinterungsbasis.
Einen weiteren Nordpolvorstoß über die Rudolf Insel, allerdings mit Überwinterungsbasis in der Tichaja Bucht auf der Hooker Insel, unternahm Georgij Sedov 1914, der auf der Rudolf Insel dabei starb und begraben wurde.
Ein Beitrag der jungen Sowjetunion zum 2. Internationalen Geophysikalischen Jahr (1932/33) war díe Einrichtung einer ganzjährig arbeitenden Wetter- und Forschungsstation auf dem Plateau nördlich oberhalb der Teplitz Bucht. Kurz darauf gewann diese Station zusätzliche Bedeutung als vorgeschobene nördlichste Basis für die sowjetischen Versuche, die hohe Arktis per Flugzeug zu erschließen - u.a. 1937 in Zusammenhang mit der ersten Flugzeugexpedition zum Nordpol, der es gelang tatsächlich auf dem Eis des Nordpols zu landen. Um die Rudolf Insel als polnächste Flugbasis zu nutzen, wurde der Stützpunkt auf der Eiskappe angelegt, da nur dort eine ausreichend lange Piste mit akzeptablem Aufwand eingeebnet werden konnte.
Aufgrund der Einbeziehung der Sowjetunion in den 2. Weltkrieg wurde die Station 1941 evakuiert. Die rasante militär- und luftfahrttechnische Entwicklung während des Krieges machte nach seinem Ende eine Wiederinbetriebnahme der alten Station und Flugpiste uninteressant. Stattdessen entstand eine weitaus kleinere Wetter- und Funkstation auf dem Plateau auf der Nordseite der Teplitzbucht mit in der Regel 5-köpfiger Besatzung, die bis 1995 ganzjährig in Betrieb war - über viele Jahre die nördlichste durchgehend betriebene Landstation der Welt. Seit ihrer Aufgabe verfallen die Anlagen, die Häuser sind überwiegend mit eingedrungenem Treibschnee gefüllt.
Namen: Die meisten Namen wurden hier durch die TEGETTHOFF Expedition vergeben, während der die Insel 1874 entdeckt wurde. Der Inselname selbst ehrt den damaligen Kronprinzen Rudolf von Österreich, Ungarn und Böhmen. Andere Schreibweisen: "Rudolph" oder bei Rücktranssriptionen aus dem Russischen auch "Rudolfa". Teplitz Bucht: Teplitz (Teplice) in Böhmen (heute: Tschechien) war der Geburtsort des Leiters der TEGETTHOFF Landexkursionen, Julius Payer. Kap Säulen (russischer Name transskribiert: Mys Stolbowoy) verdankt seinen Namen den dortigen Basaltsäulen und Kap Germania wurde nach dem deutschen Polarschiff GERMANIA benannt, Kap Fligely nach dem zeitgenössischen österreichischen Kartografen August von Fligely, das Alken Kap (englisch: Auk Cape) nach den dort beobachteten Alkenvögeln. Entlang der Südküste gehen die Namen Kap Brorak, Kap Habermann, Middendorf Gletscher und Kap Rath auf die TEGETTHOFF Expedition zurück.
Wellman benannte 1899 Kap Wellman.
Die Rudolf Insel wurde seit den 1990er Jahren schon wiederholt von touristischen Reisen erreicht, wobei in aller Regel der Bereich zwischen Teplitzbucht und Kap Säulen oder/und Kap Fligely die Ziele sind.
Andere Punkte der Rudolf Insel werden touristisch normalerweise nicht angesteuert (Kap Brorak, Alken Kap, Kap Germania).
Vor einer Landung steht die Erreichbarkeit der Rudolfinsel, die von Sommer zu Sommer sehr unterschiedlich ist. Schon 1995 besuchte die relativ kleine MOLCHANOV die Insel bei praktisch völliger Eisfreiheit, während in anderen Jahren selbst mit konventionellem großem Eisbrecher überhaupt nicht daran zu denken war. Der zweite Aspekt ist dann die eigentliche Landung, die hier für Boote oft durch im Flachwasser unmittelbar vor dem Ufer gestrandetes Treibeis oder Eisbären im Nahbereich, und ansonsten auch durch Nebel verhindert werden kann oder abgebrochen werden muß. Per Bordhubschrauber ist bei geeignetem Flugwetter eine Landung zwar evtl. unproblematisch, nicht jedoch automatisch auch deren Absicherung durch Schlauchboote. Eine erfolgreiche Landung auf der Rudolfinsel ist daher auch von Glück mit günstigen Gegebenheiten abhängig.
Teplitzbucht - Kap Säulen
wird primär wegen der polarhistorischen Relikte besucht: hier ist praktisch die gesamte Geschichte von Franz-Josef-Land von der TEGETTHOFF Expedition und mehreren frühen Überwinterungen bis zu den sowjetischen Polarfliegern der 1930er Jahre und die Nachkriegsgeschichte vertreten - noch nicht einmal Kap Flora kann diese Kontinuität bieten (siehe den vorhergehenden Abschnitt zur Geschichte der Rudolf Insel). Per Boot ist die Landung von der Uferstruktur her am einfachsten in der Teplitzbucht (deutliche Relikte der Sowjetzeit - Hütte, Materialreste, Tanklager, weniger auffällig ein paar Hinterlassenschaften der STELLA POLARE Expedition und der Fiala-Ziegler-Expedition). Zu den Resten der Sowjetzeit (Station, Polarflugbasis) auf dem nördlich davon gelegenen Plateau ist von der Teplitzbucht ein Marsch von gut 1 km über groben Gesteinsschutt erforderlich, der gerade bei größeren Teilnehmergruppen unterschiedlicher Fitness eine Herausforderung sein kann - auch hinsichtlich Eisbärensicherung, insbesondere bei möglichem Nebel. Vom Stationsbereich ist es nicht ganz ein weiterer Kilometer zum Kap Säulen mit seinen Basaltformationen und dem Grab von Sigurd Myhre der Fiala-Ziegler Expedition.
Näher an der Station bzw. an Kap Säulen sind Schlauchbootlandungen weitaus schwieriger, als in der Teplitzbucht.
Per Hubschrauber ist eine Landung an der ehemaligen Station auf dem Plateau bei geeigneten Flugbedingungen (Wind, häufig Nebel) unproblematisch - sofern sich ein Backup durch zweiten Hubschrauber oder Schlauchboote (Treibeis, Brandung, Eignung der Teilnehmer für die längere Strecke über grobes Gestein) gewährleisten läßt.
Kap Fligely
Der zweite häufiger besuchte Punkt ist Kap Fligely, erstmals 1874 durch die Schlittengruppe Payers erreicht. Das Kap trägt ein Gedenkkreuz für die Sedow-Expedition und in seinem Bereich liegt der nördlichste Landpunkt Europas und Eurasiens. Die Landung ist nicht immer möglich und nur für fittere Teilnehmer geeignet: Zunächst blockiert oft Treibeis den Zugang per Boot zu den beiden schmalen Strandsäumen beiderseits des Kaps. Anschließend ist zunächst ein ca. 20 m hoher Steilhang aus lockerem Feinmaterial zu durchsteigen, um dann über einen schmalen ansteigenden Rücken auf die kleine eisfreie Hochfläche zu gelangen - Rückweg entsprechend. Mit Bordhubschrauber ist die Landung auf dem Plateau einfach - allerdings muß auch in diesem Fall an eine Absicherung per Schlauchboot im Falle von technischen Problemen gedacht werden (Seegang, Treibeis). Darüber hinaus ist vor einer Landung zu prüfen, ob sich Eisbären im Kapbereich aufhalten.
Vögel: In den Felsabstürzen südöstlich des Kaps brüten vor allem Dreizehenmöwen, die vom Boot aus gut zu sehen sind. Hubschrauberanflüge sollten daher diese Felsen weiträumig umrunden und über die westlich und südöstlich benachbarten Gletscherabbrüche erfolgen.